Ein gesunder Glaube – Erkenntnisse aus der Geschichte Ibrahims
Wie die Theorie eines gesunden Glaubens mit der Erzählung Ibrahims verbunden ist
Wer jetzt gespannt ist, wie es mit der Theorie weitergeht, den muss ich kurz enttäuschen, denn: Heute feiern die meisten Muslime Eidul Adha. Deshalb möchte ich mich heute mit der Geschichte Ibrahims beschäftigen. Und die Enttäuschung soll nur von kurzer Dauer sein, weil die Geschichte mehr mit meiner Theorie des gesunden Glaubens zu tun, als du vielleicht denkst.
Wer war Ibrahim? Ibrahim war ein kluger und mutiger Junge, der in einem Dorf lebte, in dem die Bewohner sich vor Götzenbildern verbeugen und ihnen huldigten. Als Denker stellte er diese Praxis infrage und führte die Dorfbewohner letztendlich zu der Erkenntnis, dass es nur einen Gott gibt – den Gott der Freiheit und des Guten.
Im Koran Sure 21, Verse 51–70 gibt es eine beeindruckende Szene, die Ibrahims radikale monotheistische Glaubenspraxis aufgreift. Sie beschreibt die Praxis einer festgefahrenen Götzendienerei seiner Gesellschaft und die Art, wie er mithilfe seiner Überzeugung des radikalen Monotheismus dieses herausforderte.
Die Verse beginnen zunächst damit, dass Allah Ibrahim als weise Persönlichkeit beschreibt. Als jemanden, der mit einem tiefen Verständnis gesegnet wurde. Kein Wunder, dass Ibrahim Praktiken seiner Gemeinschaft hinterfragte und von seinem Vater und seinen Mitmenschen wissen wollte, weshalb sie sich den Götzenbildern hingaben. Die Antwort war simpel und beunruhigend zugleich – sie taten es, weil es die Tradition ihrer Vorfahren war. Diese Begründung zeugt von einer tief verwurzelten gesellschaftlichen Angst vor dem Unbekannten, vor Veränderung, vor der Anwendung des eigenen Verstandes und vor der Hinterfragung des Status quo.
Ibrahims Reaktion war klar und direkt – er sagte ihnen, dass sie und ihre Vorfahren sich offensichtlich irrten. Auch teilte er ihnen mit, ihr wahrer Herr der Herr der Himmel und der Erde sei, der Schöpfer von allem. Als Zeichen seines Ungehorsams gegenüber den falschen Göttern zerstörte er alle Idole, ließ jedoch das größte unberührt.
Als die Menschen zu den zerbrochenen Götzenbildern zurückkehrten, waren sie schockiert und beschuldigten Ibrahim, ihr Vertrauen missbraucht zu haben. In seiner Verteidigung wies Ibrahim sie an, das größte Idol nach dem Täter zu fragen. Damit wollte er auf ironische Art und Weise auf die Unfähigkeit ihrer Götzen aufmerksam machen. Warum sonst, haben die Statuen, die angebetet wurden, nicht selbst etwas dagegen unternommen? Das tat weh. Wenn die Menschen sahen, dass sie sich im Irrtum befanden. Doch statt das anzuerkennen, schrien sie nach Vergeltung.
So beschlossen sie, Ibrahim als Strafe zu verbrennen. Ohne Erfolg. Denn Allah machte das Feuer zu einem Ort des Friedens und der Sicherheit für Ibrahim, indem er die Naturgesetze selbst umkehrte.
Dieser Abschnitt endet mit einem deutlichen Urteil: Diejenigen, die Ibrahim Schaden zufügen wollten, wurden selbst zu den größten Verlierern.
Diese Geschichte ist ein mächtiges Beispiel für Mut, Wahrheitssuche und bedingungslosen Glauben an den einen wahren Gott. Sie erinnert daran, nicht blind den Vorstellungen und Praktiken der Vorfahren zu folgen, sondern mit Verstand und Mut nach der Wahrheit zu suchen und das, was als Wahrheit ausgegeben wird, infrage zu stellen. Außerdem zeigt sie uns, dass Gott immer diejenigen beschützt, die standhaft auf dem Pfad der Wahrheit und Gerechtigkeit bleiben.
Folgende Verbindungen ergeben sich für diese Theorie, die versucht den Spuren Ibrahims und aller anderen Propheten zu folgen:
1. Suche nach der Wahrheit: In beiden Fällen wird die Wichtigkeit betont, nach der Wahrheit zu suchen und zu hinterfragen, was wir glauben und warum wir es glauben. Ibrahim stellt die Praktiken seiner Gemeinschaft infrage und sucht nach einer tieferen, authentischeren Wahrheit. Ebenso fordert ein gesunder Glaube uns dazu auf, nicht einfach blind anzunehmen, sondern stets auf der Suche nach Wahrheit und Verständnis zu sein.
2. Herausforderung des Status Quo: Die Geschichte von Ibrahim zeigt auf, wie wichtig es ist, den Status Quo zu hinterfragen und den Mut zu haben, gegen Ungerechtigkeit und Irrtum vorzugehen. Ein gesunder Glaube tut nichts anderes. Er ermutigt uns dazu, den Stand unseres Glaubens immer wieder zu hinterfragen und – wenn nötig – ungesunde sowie ungerechte Praktiken zu beenden und schließlich für das, was wir als richtig erachten, einzutreten.
3. Flexibilität und Wachstum: Ein gesunder Glaube ist kein statischer Zustand, sondern ein Prozess des Wachstums und der Entwicklung. Ibrahim stellt die Traditionen seiner Vorfahren infrage und entwickelt einen neuen, radikalen Monotheismus. Diese Bereitschaft, zu wachsen und sich zu entwickeln, ist ein Schlüsselelement eines gesunden Glaubens.
4. Vertrauen in den göttlichen Schutz: Ibrahim vertraut trotz der Drohungen und Gefahren, die er aufgrund seiner Überzeugungen erlebt, auf den Schutz Gottes. Dieses Vertrauen ist ein weiteres Element eines gesunden Glaubens – die Überzeugung, dass wir, wenn wir das Richtige tun, eine innere Ruhe entwickeln, auch wenn die Umstände schwierig sind.
Wie die Geschichte von Ibrahim so schön illustriert, ist ein gesunder Glaube nicht nur eine persönliche Beziehung zu Gott, sondern auch eine Verpflichtung uns selbst, unseren Mitmenschen und unserer Umwelt gegenüber. Eine Verpflichtung stets das ständige Feedback unseres Körpers, unserer Emotionen und unseres Verstandes ernstzunehmen und in unserer Ausrichtung zu berücksichtigen.
Die Geschichte von Ibrahim zeigt uns, dass wir alle die Fähigkeit haben, einen gesunden Glauben zu finden und zu leben, weil wir alle über die von Ibrahim angewendeten Gaben verfügen. Sie lehrt uns, die Gaben Allahs anzuwenden und sie nicht zu unterdrücken: Verstand, Zweifel, Gefühle, die Suche nach Stimmigkeit und Ganzheitlichkeit. Wir alle können auf diese Reise gehen und sollten dies auch tun.
Ein gesunder Glaube ermöglicht uns, die Welt mit klaren Augen zu betrachten und uns gleichzeitig unserer Verantwortung gegenüber uns selbst, unseren Mitmenschen und der Welt bewusst zu sein. Er stärkt uns und gibt uns den Mut, unseren Weg zu gehen, auch wenn dieser uns in unbekanntes Terrain führt. Er bringt uns Freiheit und Frieden, und hilft uns, uns mit anderen zu verbinden, uns selbst besser zu verstehen und einen positiven Einfluss auf die Welt auszuüben.
Es ist wichtig zu betonen, dass ein gesunder Glaube nicht etwas ist, das man erreicht und dann besitzt, sondern etwas, das man lebt und ständig entwickelt. Er ist ein Prozess und eine Reise, und wie bei jeder Reise gibt es Höhen und Tiefen, Erfolge und Misserfolge. Aber durch all das wachsen und lernen wir, wodurch unser Glaube dadurch nur stärker wird.
Die Geschichte von Ibrahim ist eine wunderbare Illustration dieser Reise. Sie zeigt uns, dass Glauben eine persönliche Entscheidung ist, die auf unseren Überzeugungen, Werten und Handlungen basiert. Sie zeigt uns auch, dass wir, egal wie schwierig unsere Umstände auch sein mögen, immer die Möglichkeit haben, den richtigen Weg zu wählen und einen positiven Einfluss auf die Welt zu haben.
Ein gesunder Glaube bedeutet, mutig genug zu sein, Fragen zu stellen, Wahrheiten zu suchen und für das zu stehen, was richtig ist. Es bedeutet, bereit zu sein, zu wachsen und sich zu entwickeln, und es bedeutet, ein Leben zu führen, das auf Liebe, Mitgefühl, Gerechtigkeit und Respekt basiert.
Der Glaube ist eine Kraft, die uns verbindet, uns erhebt und uns ermöglicht, das Beste aus uns herauszuholen und zum Wohle aller zu handeln. Mögen wir alle die Kraft unseres Glaubens erkennen und nutzen, um eine bessere, gerechtere und liebevollere Welt zu schaffen. Amen 🤲🏽