Über die Methodik der Theorie eines gesunden Glaubens und ihre Instrumente
Die Rolle von Gefühlen im Glauben
Ihr schönen Seelen,
geht es euch auch so, dass ihr Theorien vor allem mit intellektueller Intelligenz in Verbindung bringt? Theorien werden schließlich auf der Grundlage empirischer Untersuchungen entwickelt. Die Fakten sind also entscheidend. Kann man Hypothesen wissenschaftlich beweisen oder nicht? Aber wenn es etwas gibt, das mindestens genauso wichtig ist wie kognitive Intelligenz, dann ist es emotionale Intelligenz. Denn auch empirische Forschung kann nicht von unserem grundlegenden Element, unseren Gefühlen, getrennt werden.
Ich will versuchen, diese Behauptung mit der Frage danach, worin unser Denken wurzelt, zu beantworten. Anschließend möchte ich nachzeichnen, welcher Methodik zufolge ich zu dieser Theorie gelangt bin.
Bevor es uns gab, war da das Gefühl
Schon bei unserer Zeugung als befruchtete und sich vervielfachende Eizelle spielen Gefühle eine wichtige Rolle, denn diese Zellen streben nach einem gesunden Zustand, um ihr Überleben zu sichern. Dies unterstreicht die früh angelegte Relevanz von Gefühlen in unserem Leben, obwohl wir zu diesem Zeitpunkt noch kein Bewusstsein oder Selbst haben. Interessant dabei ist, dass die Zelle wissen muss, wie ihr gesunder Idealzustand aussieht.
Das kann sie allerdings nur tun, wenn sie sich und die Umgebung, in der sie sich befindet, wahrnehmen (Perzeption) und bewerten (Valenz) kann. Bei der Bewertung geht es darum, ob das Wahrgenommene gut oder schlecht für die Zelle ist, um sich entsprechend regulieren zu können. Zum Beispiel, ob die Temperatur um sie herum richtig ist oder ob die Flüssigkeiten die richtige Zusammensetzung haben. Das sind überlebenswichtige Dinge.
Neben dieser physiologischen Homöostase liegt auch eine emotionale Homöostase in uns vor. Das heißt, wir verfügen über einen emotionalen Idealzustand, den wir Wohlgefühl nennen, und bei Abweichung (Unwohlsein) wiederzuerlangen versuchen. In welchem Zustand wir uns befinden, verraten uns unsere Gefühle. Sie sind es, die uns schließlich dabei helfen, Situationen zu bewerten.
Das müssen nicht reale Zustände, wie Hunger und Durst sein, die unserem Überleben dienen. Der Körper kann auch so konditioniert sein, dass er bereits bei fiktiven Gedanken ans Überleben denkt und sich entsprechende Gefühle zeigen: Angst und Panik beispielsweise.
Und doch sind auch diese Gefühle ein wichtiger Indikator, der uns zeigt, dass Handlungsbedarf besteht. Dennoch versuchen wir sie nicht selten zu verdrängen, und zwar dorthin, wo Verwundbarkeit Platz hat; im Privaten und manchmal nicht einmal dort. Denn wer in Wissenschaft und Beruf ernst genommen werden will, der lässt sich nicht von seinen Gefühlen leiten; so der herrschende Mythos.
Doch in Wahrheit werden wir alle in allen Bereichen unseres Lebens, in allen Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen, von unseren Gefühlen geleitet. Unsere Gefühle bewerten das, was wir sehen und (innerlich) spüren und erleben. Das können wir daran beobachten, dass wir ein und dieselbe Frage abhängig von der Bewertung der Situation unterschiedlich beantworten. Ist mir der Fragesteller wohlgesonnen oder unsympathisch, bin ich müde oder ausgeschlafen, sehne ich mich nach Aufmerksamkeit und Bestätigung von außen oder bin ich zufrieden mit mir? Schließlich sind unsere Gefühle wie ein Wegweiser, der uns sagt, wie wir uns in einer bestimmten Situation (ob real oder fiktiv) verhalten sollen.
Und nun zurück zum kognitiven Part: Welche Funktion hat das Denken? Eine absolut abenteuerreiche, denn: Das Denken ist unsere Fähigkeit, imaginär zu handeln. Anstatt also physisch zu agieren und reagieren, tun wir das zunächst rein fiktiv. Wir können uns dadurch Situationen vorstellen und überlegen, wie wir damit in der realen Welt umgehen würden. Das kann dabei helfen, in der realen Welt bspw. lebensbedrohliche Fehler zu vermeiden.
Doch wie wissen wir ohne hellseherische Fähigkeiten, was richtig und falsch ist? Richtig, es sind wieder einmal unsere Gefühle. Nicht anders ergeht es im Übrigen Wissenschaftlern, Gelehrten, Experten, die nach außen hin rational kommunizieren und strategisch handeln. Kein Mensch, kann sich seinen Gefühlen entziehen.
Es ist etwas Inhärentes in uns, das stets danach trachtet, dass alles wieder gut ist. Ist dies nicht der Fall, unternehmen wir etwas, das uns wieder wohlfühlen lässt. Was wir dabei tun, ist nichts Willkürliches, auch wenn es von außen möglicherweise so wirken mag. Was wir tun, um unser Wohlgefühl wiederzuerlangen, ist teils angeboren, teils erlernt. Reflexe, wie zum Beispiel das Zusammenzucken bei Angst, sind angeborene Reaktionen. Wie wir mit unserem Gegenüber in einer Streitsituation umgehen, kann erlernt sein. Zudem besitzen wir die Fähigkeit, das Erlernte zu ändern, wenn wir feststellen, dass es uns nicht gut tut.
In Bezug auf unseren Glauben verhält es sich nicht anders. Denn auch unser Glaubensbild ist von Gefühlen geprägt. Umso wichtiger ist es, sich zunächst bewusst zu machen, wie wir uns fühlen, wenn es um unseren Glauben geht, was wir darüber gelernt haben und wie wir uns in Gesprächen und Diskussionen dazu verhalten. Denn diese Gefühle beeinflussen, wie wir über unseren Glauben sprechen und wie wir mit Menschen umgehen, die andere Ansichten haben. Wie wir – wenn unreflektiert – über unseren Glauben denken, kann in Polemik und Apologetik eingeteilt werden; Begriffe, die u.a. in der Theologie und Philosophie verwendet werden. In einfachen Worten meint Apologetik die Verteidigung des eigenen Glaubens, Apologetik den Angriff auf den anderen Glauben.
Und hier möchte ich eine besondere, zentrale Fähigkeit für das Thema betonen: Unsere Fähigkeit, uns über etwas bewusst zu sein, es zudem zu wollen. Diese Fähigkeit erlaubt uns, Entscheidungen treffen zu können, die einen anderen Weg ebnen, als den bisher erlernten. Da es in diesem Beitrag aber um die Methodik der Theorie eines gesunden Glaubens geht, werde ich auf den Willen in einem anderen Text eingehen.
Wir sind nicht lediglich das Erlernte. Wir sind zu Änderungen fähig.
Die ersten Elemente dieser Methode sind also das Wahrnehmen und Bewerten. Sie bilden damit das erste methodische Instrument dieser Theorie. Dadurch lernen wir Menschen und entwickeln über die Zeit einen Fundus an Erfahrungen über uns und unsere Umwelt. Durch unsere Erfahrungen wiederum lernen wir über herrschende Gesetzmäßigkeiten, die uns und unsere Umwelt bestimmen. Vereinfacht ausgedrückt, führt beispielsweise Gesundes zu Gesundem, Ungesundes zu Ungesundem.
Ob in der Medizin, in der Psychologie oder anderen Bereichen des Lebens: Erfahrbare Gesetzmäßigkeiten, wie Genesung und Krankheit, die unser zweites methodisches Instrument darstellen.
Und die Fähigkeit, sich darüber bewusst sein zu können und einen Willen daraus zu fassen, bildet das dritte methodische Instrument.
Das tat ich, als ich anfing, meine Gefühle ernstzunehmen. Zweifel, Unstimmigkeit und Unzufriedenheit begleiteten mich seit geraumer Zeit, bis ich mich dazu entschloss, auf die Signale meiner Gefühle, meines Intellekts und meines Körpers zu reagieren.
Ignorierte ich vorher noch Signale oder ruhte mich auf einigermaßen nachvollziehbaren Antworten seitens Gelehrten aus, machte ich mich dieses Mal selber auf die Suche. Denn Nachvollziehbarkeit bedeutet keine Stimmigkeit. Es war der Blick auf das „Große Ganze“, der mich nicht davon abbringen ließ, nach echten Antworten zu forschen.
Antworten, die aber mit dem vermittelten Rahmen des Denkens über die Religion kollidieren. Und das, obwohl ich bei meinen eigenen Antworten immer bemüht war, einen natürlichen Weg des Denkens zu verfolgen; also fern vom Dogmatischen. Wie konnte der natürliche Weg mit dem anerzogenen Verständnis über die Religion kollidieren?
Als ich den vermittelten Rahmen des religiösen Denkens beiseitelegte, dem Gefühl der Stimmigkeit folgte und dabei die natürlichen Gesetzmäßigkeiten berücksichtigte, war es mir möglich, einen gesunden Weg des Glaubens zu finden.
Die Lösung für einen gesunden Glauben war so einfach, dass es schon fast absurd wirkte. Und so war auch die Reaktion vieler: „Willst du also sagen, dass es reicht, ein guter Mensch zu sein?“, war eine häufige Frage.
Als wäre es so leicht, ein konsequent guter Mensch zu sein. Im nächsten Newsletter soll es genau um diese Frage gehen: Was ist ein guter Mensch und was zeichnet ihn aus?
Weiterführende Literatur zur fundamentalen Rolle von Gefühlen (Affekten):
Mark Solms – The Hidden Spring: A Journey to the Source of Consciousness
Antonio Damasio – Feeling and Knowing: Making Minds Conscious