Ihr schönen Seelen,
lang ist´s her! Das Schöne an der Sommerpause – egal in welchem Lebensbereich – ist der Raum, der geschaffen wird. Neue Chancen für die Schüler nach den Ferien, die Freude auf das Zuhause, das man vor dem Urlaub nicht mehr sehen konnte und nicht selten die Aufregung wegen neuer Herausforderungen. Und ja, auch der Körper nimmt sich Zeit für sich, um ein wenig zu heilen, zu verarbeiten und schließlich zu wachsen.
In diesem Sinne hoffe ich, dass die ersten beiden Säulen meiner Theorie des gesunden Glaubens Teil Deiner Auszeit waren, in Dir den Raum gefunden haben, sich zu entfalten und Du bereit bist zu wachsen. Denn mit diesem Beitrag komme ich zum praktischen Teil der Theorie.
Während sich die bisherigen Konzepte »Gott« und »Jenseits« eher in unserem Innenleben abspielen, beeinflussen und prägen sie unser Handeln, das sich im Außen abspielt und unsere (Um)Welt betrifft. Unsere Handlungen sind so gesehen die von Außen wahrgenommenen Übersetzungen unseres (inneren) Glaubens.
Von klein auf lernen wir, Handlungen in gut und böse einzuteilen – ich spreche lieber von gesund und ungesund, denn ich kenne kein besseres Maß als die Gesundheit, wie ich in meinem letzten Newsletter geschrieben habe. Denn jede noch so banale Handlung hat einen gesunden oder ungesunden Effekt auf uns, auf unsere Mitmenschen, auf unsere Umwelt; gleich wie klein oder groß dieser Effekt sein mag. Neutrale Handlungen existieren in dieser Theorie nicht.
Konkret geht es mir in meinem heutigen Text deshalb um diese zwei Punkte:
die wechselseitige Beziehung zu den ersten beiden Säulen und ihre Bedeutung für unser Handeln, und
die Frage, wie daraus resultierend gute und schlechte Taten entstehen.
Ich habe bereits angedeutet, dass alle Handlungen eine Art Übersetzung unseres Inneren sind. Aber was meine ich damit? Und warum gilt das vor allem für alle Handlungen?
Nehmen wir zum Beispiel das Essen. Oder noch besser: eine Vielzahl an verknüpften Handlungen, wie Aufstehen, in die Küche gehen und essen. Eine Reihe ganz natürlicher Handlungen, die ein Grundbedürfnis (Hunger) stillen sollen, könnte man meinen. Aber genau dieses innere Bedürfnis beschreibt den Prozess, der der Handlung vorausgeht und vor allem die Gedanken, die sie begleiten. Die Absicht, die gefasst wird, wie man mit den eigenen Gefühlen und Wahrnehmungen umgeht, nämlich Hunger zu verspüren. Und das kann in der Tat von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein und hängt von verschiedenen Faktoren ab: Erziehung, Sozialisation, eigene Erfahrungen, Interpretationen, Überzeugungen.
Esse ich aus Selbstliebe und nehme das Signal entsprechend wahr oder ignoriere ich das Bedürfnis, weil (im Extremfall) Essen negativ konnotiert ist? Beispielsweise, weil ich in der Kindheit gemobbt wurde. Bevor es also zu einer Handlung kommt, entsteht zunächst eine Atmosphäre von Wahrnehmungen, Gefühlen und Gedanken, aus der dann unsere Handlungen entstehen.
Mit unserem Glauben verhält es sich nicht anders. Auch unsere Glaubenspraxis ereignet sich nicht einfach, sie emergiert. Und wenn wir verstehen lernen, wie all unsere Handlungen entstehen, dann wird schnell klar, welche Rolle das Gottes- und Glaubensbild im religiösen Handeln spielt.
Als jemand, der im traditionellen sunnitischen Islam aufgewachsen ist, habe ich sowohl traditionell als auch universitär gelernt, dass Nichtmuslime als Ungläubige betrachtet werden und in die Hölle kommen, unabhängig von ihren guten Taten. Übrigens verhält es sich in anderen Glaubensgemeinschaften oft ähnlich. Denn was wichtiger, als die guten Taten sind, ist die Gruppenzugehörigkeit. Entsprechend müssen selbst die guten Handlungen den jeweiligen etablierten theologischen Vorstellungen weichen und haben damit keinerlei Bedeutung.
Was sie ignorieren: Aus solchen theologischen Vorstellungen können sich keine nachhaltig guten Taten herausbilden, weil diese in einem exklusivistischen, diskriminierenden Rahmen entstehen. Ein Rahmen, der impliziert, dass Gott selbst ausschließend und unfair sei. Noch weiter: als wenn Gott nur für eine bestimmte Gruppe von Menschen da sei, ungeachtet dessen, welche Handlungen sie vollbringen. Es geht sogar so weit, dass sich in diesen theologischen Lehren das Begehen von Unrecht gegenüber Menschen, die anders glauben und anders leben, legitimiert wird.
Gute Taten sind in diesen verschiedenen Gruppen immer nur die, die von den jeweiligen Autoritäten der Gruppe als solche definiert werden. Und da jede Gruppe dem Spiel der Macht verfallen ist, kämpft jede um ihren eigenen Erhalt. Dadurch werden die anderen in Feinde, Verbündete oder Untergestellte kategorisiert. Daraus resultieren Interessen, die geschützt werden müssen, weshalb dann Unrecht im Namen des „Guten“ legitimiert werden muss. Und was ist da mächtiger als Gott, um dies in seinem Namen zu bewerkstelligen!?
Was wir heute haben, ist eine Pluralität des Guten. Jeder beansprucht für sich, richtigzuliegen und das Gute zu tun. Alle anderen Gruppen oder Menschen werden konsequent abgewertet.
Der Wunsch nach Zugehörigkeit ist menschlich, denn wir sind soziale Wesen. Wenn man so mag, Rudeltiere. Und es liegt an uns, welche Handlungen aus diesem Bedürfnis heraus entstehen. Deswegen frage ich Dich: Was wäre, wenn wir anders beginnen würden? Wenn wir all jene Lehren beiseitestellen und Gott konsequent in allem denken? Zu was für eine Atmosphäre würde dies führen und welche Handlungen würden daraus resultieren?
Was, wenn wir den Überbau, der durch die Oberhäupter der Religionen geschaffen wurde, abschaffen? Ich frage Dich: Was bliebe dann noch übrig?
Die Antwort lautet: Die göttlichen Gesetzmäßigkeiten, nach denen wir alle handeln, wenn wir frei sind. Frei von Dogmen, frei von vorgegebenen Interessen, frei von definierten Rahmen. Was bleibt, sind unsere Intuitionen, unser gesunder Menschenverstand, unser Herz: göttliche Gaben, die in Einklang mit der Schöpfung wirken und Orientierungshilfen für unser Handeln sind.
Und Gott selbst? Seit eh denn je versuchen wir Menschen, uns aus verschiedenen Puzzleteilen aus unterschiedlichen Quellen eine Vorstellung davon zu machen, wer, wann und wo Gott ist. Worin sich jedoch alle Religionsgemeinschaften einig zu sein scheinen, ist der Anspruch, Gott dienen zu wollen. Sie alle wollen wissen, was Gott von und mit den Menschen will.
Ich glaube, dass wir das vor allem dann herausfinden, wenn wir den Überbau religiöser Autoritäten beiseitelassen. Gott hat uns mit genügend Ressourcen ausgestattet, um zu erkennen, was unsere Aufgaben auf dieser Erde sind. Kanäle, durch die Gott zu uns spricht, wobei es nicht so sehr darauf ankommt, für welche religiöse Gemeinschaft wir uns entscheiden, als vielmehr darauf, wie wir unsere (gottesdienstlichen) Handlungen gestalten; gottesdienstlich meint hier nicht das Beten oder Fasten, sondern die guten, gesunden Taten. Gott sendet uns Botschaften in allem, was uns umgibt. Seine Schöpfung mit ihren Gesetzmäßigkeiten gibt uns Rückmeldung in allem, was wir tun.
Das können wir besonders an unserem Körper wahrnehmen: Gedanken um schädigende Handlungen verursachen kein wohliges Gefühl, positive Gedanken keine unangenehmen. Und wenn doch, dann liegt dafür ein nachvollziehbarer Grund, wie, dass wir gelernt haben, dass auf etwas Gutes immer etwas Schlechtes folgen muss.
Dieses konstante Feedback erleben wir auch in unseren täglichen Beziehungen zu Hause, auf der Arbeit, beim Einkaufen etc. Ein Lächeln ruft in uns ein wohliges Gefühl hervor; ein blöder Spruch von der Seite kann uns den Moment und manchmal den ganzen Tag vermiesen.
Weg von uns und unseren Menschen und hin zum Blick auf das weite, große Ganze: Das Pflanzen von Bäumen verbessert die Luft- und damit die Lebensqualität, das Roden von Wäldern zerstört Lebensräume für unzählige Tier- und Pflanzenarten, die wiederum die Lebensqualität mindern oder gar schädigen. Die Auswirkung von ausgewogener, vollwertiger Ernährung auf unsere Gesundheit ist uns allen hinlänglich bekannt.
Was resultiert daraus?
Man sagt, das Leben sei unergründlich, dabei zeigt sich das Gesetz des Lebens beim näheren Hinsehen deutlich. Gott und seine Botschaft auch. Unsere Taten erinnern uns immer wieder aufs neue, dass Konsequenzen folgen und wir Verantwortung tragen. Daraus resultiert ein Gottesbild, das auf den Erhalt des Gesunden und dem Aufwerten desselben ausgerichtet ist.
Anhand der ersten zwei Säulen haben gute, gesunde Handlungen ein gutes, gesundes Ende, egal von wem sie ausgeführt werden. Hingegen ein böses Erwachen bei schlechten, ungesunden Handlungen. Die Möglichkeit der aufrichtigen Reue, so wie es bereits in den meisten Religionen verankert ist, bleibt davon natürlich unberührt. Dadurch – und das ist das faszinierende daran – wird der Boden geebnet, für sichtbar Neues und Gesundes, damit sich das Gute erneut zeigen kann. Ganz wie unser Körper, der danach strebt, gesund zu bleiben und bei schlechter Ernährung streikt, bis er schließlich heilen kann. Das kann er nur, wenn wir ihn entsprechend pflegen.
Angefangen bei Gott (1. Säule) und endend bei den Handlungen (3. Säule) kannst Du eine durchweg in Einklang miteinander stehende Abfolge von kausalen, miteinander korrelierenden Elementen sehen, die eine positive Veränderung in uns und in der Welt zur Folge haben kann. Ohne das unnötige Bedürfnis nach religiösen Obrigkeiten und ihren Regelwerken.
Es spielt keine Rolle, ob wir uns als Muslim, Christ, Jude, Hindu, Agnostiker oder Atheist bezeichnen. Entscheidend sind die grundlegenden Werte, die in allen Religionen und Weltanschauungen zu finden sind und auf den einzigen wahren Gott verweisen.
Warum ich glaube, dass wir diese Theorie auch brauchen? Weil sie weder den Anspruch auf Exklusivität erhebt, noch Zwang ausübt. Stattdessen soll sie erinnern. Und zwar daran, was wir bereits in uns tragen – durch Gott. Deshalb werden auch keine Personen herabgewürdigt oder diskriminiert. Die Theorie soll dabei helfen, die Ketten der Spaltung und Abwertung zu durchbrechen. Möge sie Dir, mir und allen Menschen eine Stütze dabei sein.